Eine etwas andere Geschichte...?

Da ich ja sehr aktiv auf der Plattform ask.fm bin, dachte ich mir, euch mal eine besonders komplexe Antwort auf eine sehr tolle Frage bzw. Aufgabe zu geben.
An dieser Stelle würde ich auch sehr gern ein wenig Werbung für einen tollen Blog machen: Menschenkind. Ich mag den Blog wirklich gern, auch, aber nicht nur, weil der Autor Maexwell meines Erachtens nach ein unglaublich sympathischer Mensch ist.
Warum ich ausgerechnet heute Werbung mache? Der Ursprung des heutigen Posts stammt aus seiner Feder.
Genug gelabert, los geht's:

"Ein weiterer Abend von vielen. Er stand dort, konnte sich nicht erwehren, in den Sonnenuntergang zu starren. Seine Augen schmerzten, gewöhnten sich jedoch daran, je tiefer sie sank. In seinen Gedanken setzte sich die Wärme der wechselnden Töne des Horizonts ab, dessen weite Ferne ein Gefühl von Melancholie und Fernweh in ihm auslöste. Er war nicht das erste Mal allein hier, aber das erste Mal seit langem. Er beobachtete den Wechsel zwischen Gelb, Orange, Rot, Lila und letztendlich dem Blau des Himmels der sich nähernden Nacht. Er kam zu diesem Ort zum ersten Sonnenstrahl und würde gehen, wenn der erste Stern am Himmel leuchtete. Langsam ging er auf die Knie, vergrub das Gesicht in seinen Händen und atmete tief durch. Jeder Muskel seines Körpers spannte sich an und entspannte sich bald darauf wieder, was ein Gefühl von Wärme durch seinen Körper jagte und ihm eine Gänsehaut bereitete. Erinnerungen zogen vorbei wie die Wolken vorher, nun war sein Kopf frei davon wie auch der Himmel über ihm. Er öffnete die Augen und sah die Welt nun zum ersten Mal. In ihrer wahren Farbe. Kühle Einsamkeit legte sich über sein Gemüt beim Aufblinken des ersten Sterns. Er flüsterte ein "Dankeschön" in Richtung des Horizonts. Dann stand er auf, richtete seine Jacke und drehte dem sich langsam anbahnenden Feuerwerk an Sternenlicht den Rücken zu, den Blick zu Boden gerichtet, gezeichnet von einem schmalen Lächeln. Vor ihm lag derselbe Weg wie immer, doch dieses Mal würde er die Schritte nicht zählen. Denn er war nicht das erste Mal allein hier, aber das erste Mal einsam. Und so war es gut."

Die Fragen, die Maexwell mir dazu stellte, waren folgende:
Welche Situation wird hier beschrieben? Was könnte das bedeuten? Was ist vorher passiert und was hat vielleicht dazu geführt? Kennt ihr eine solche Situation oder ein solches Gefühl? Was hat "der erste Stern" mit alledem zu tun? Wohin geht er und kommt er von dort? Wenn ja, was ist passiert? Zu welcher Jahreszeit spielt diese kurze Geschichte und in welcher Umgebung findet sie statt? Verändert die Jahreszeit euer Gemüt? Wenn ja, wie?

Zusätzlich war es die Aufgabe, eine Fortsetzung oder ein Ende der Geschichte zu schreiben.

Na dann wollen wir mal...
Ich werde nun einfach genau das beschreiben, was ich während des ersten Lesens vor meinem inneren Auge sah. Ich könnte weitaus mehr hier hinein interpretieren, aber ich finde den ersten Eindruck immer viel spannender, als dieses ganze Hinterfragen und Analysieren. Ich habe mehrere Personen gefragt, wie sie die Fragen beantworten würden und war total erstaunt darüber, dass sich deren Vorstellung so sehr von der meinigen unterschied.
Es wird eine Situation beschrieben, in der ein Mensch, einen anderen Menschen, der ihm sehr nahe stand, verloren hat. Zu Beginn habe ich noch überlegt, ob es sich um eine Beziehung oder den Tod handelt, doch je weiter ich las, desto mehr dachte ich an den Tod. Für mich bedeutet das einfach, dass man den Lauf der Dinge hinnehmen sollte und auch in tragischen Situationen nach vorn blicken können sollte. Nach meinem ersten Eindruck ist der Mensch, bei dem sich die Hauptperson bedankt, verstorben und sie hatten diesen Ort oft gemeinsam besucht. Was dazu geführt hat, kann ich nicht wirklich beantworten, da Vieles zum Tod führen kann. Ein solches Gefühl, wie die Person in meiner Vorstellung hat, kenne ich nicht; darüber bin ich aber auch nicht traurig. Der erste Stern, von dem gesprochen wird, steht für mich als ein Symbol. Ich denke, dass es sich dabei um das Licht am Ende des Tunnels handelt, was die Person einfach noch nicht sehen will. Andererseits könnte es sich aber auch darum handeln, dass die Hauptrolle die verstorbene Person in dem Stern sieht. An dieser Stelle konnte und kann ich mich nicht entscheiden. Die Farben der Geschichte sind warm beschrieben, so ist für mich klar, dass sie im Sommer spielen muss. Das ist die einzige Stelle, an der ich zusätzlich zu meinem Empfinden auf Logik setze. Ich sah von Anfang an einen Menschen, der am Strand steht und die Sonne am Horizont des Meeres versinken sieht. Er geht dann durch einen Kiefernwald in sein Haus, jedoch kam er von einer Seebrücke.
Ich sagte, dass ich andere danach fragte. Eine Person sagte, dass es sehr nach "Interview mit einem Vampir" klang und sie eine Lichtung im Altweibersommer vor Augen hatte. Eine andere Person sah ebenfalls eine Lichtung vor ihren Augen. Ich finde es so krass, dass Menschen den gleichen Text aufgrund ihrer Erfahrungen so völlig unterschiedlich interpretieren können und sich eine ganz eigene Geschichte vor Augen abspielen, die bei jedem anders aussieht, obwohl doch alle den gleichen Text lesen.
Die Jahreszeit verändert mein Gemüt doch sehr. Ich habe es allerdings erst vor nicht allzu langer Zeit wirklich realisiert. Sobald die Tage im Frühling etwas länger werden, die Sonne mehr Kraft hat, die Welt wieder bunter wird und die Luft nach dieser greifbar nahen Freiheit riecht, werde ich ein wenig lebensbejahender. Ich mache Pläne, denke an die Zukunft. Ich bin glücklich und von Freude erfüllt. Ich bin unternehmungslustiger und schlafe viel weniger. Im Sommer bin ich sehr entspannt, jedoch auch oft angestrengt. Die extreme Wärme macht mir immer sehr zu schaffen. Ich mag das eigentlich gar nicht. Dann hätte ich am liebsten einen eiskalten Tag mit ganz viel Regen oder Schnee. Wenn dann endlich der Herbst kommt und sich diese melancholische, aber doch so liebliche Grau auf die Schatten der Stadt legt, bin ich auch für eine kurze Zeit vom Glück erfüllt, denn die Melancholie ist mein Zuhause. Ich liebe sie so sehr. Ich freue mich in diesem Moment darauf, dass es wieder früher dunkel wird und dass endlich die Jahreszeit des kalten, trüben und vor allem regnerischen Wetters beginnt. Je grauer und kälter die Tage dann aber werden, desto mehr holt mich diese Stimmung ein. Ich schlafe mehr, will kaum raus. Ich bin froh, wenn ich meine Ruhe habe und mich alle allein lassen. Ich will, dass es wieder warm wird, will wieder, dass diese kleine Prise Freiheit durch meine Haare weht und ich mich unbeschwert fühlen. Wenn dann der Winter kommt und die Stadt quasi über Nacht weiß wird, bin ich immer anders drauf. Wenn ich früh morgens aufstehen und aus dem Haus muss, bekomme ich von dem Schnee schlechte Laune; am Wochenende freue ich mich vielleicht sogar ein klein wenig. Je länger der Winter dauert, desto mehr fiebere ich auf Frühling und Sommer zu. Dann kommt irgendwann der Frühling und das Ganze fängt von vorn an.

Bevor ihr jetzt mein Ende lest, muss ich euch sagen, dass es gar nicht zu meiner Interpretation passt, weil ich diese beiden Dinge nicht am gleichen Tag verfasst habe. Ich habe gerade angefangen, das Ende zu schreiben und musste feststellen, dass das nicht das Ende ist, das ich haben will. Je mehr ich schrieb, desto mehr wurde mir klar, dass meine Interpretation nicht falsch, sondern für mich einfach nicht umzusetzen ist. Doch, sie wäre natürlich umzusetzen, aber gerade eben hatte ich ein völlig anderes Bild vor Augen, obwohl ich genau dort anfing, wo ich beim ersten Lesen der Geschichte aufgehört hatte. Faszinierend, nicht wahr? Ich fing an, über den jungen Mann, der am Strand steht, zu schreiben und am Ende kam etwas völlig anderes dabei raus.

Er ging. Es war zu spät. Sein Weg führte durch genau die Straße, die er sein ganzes Leben lang kannte; er war sie an der Seite so vieler entlang gelaufen. Er versank in seinen Erinnerungen. Wie oft hatten sie früher zusammen dort gesessen und über das Leben geredet? Wie lange hatten sie sich gekannt und wie sehr hatte er diese Zeit vermisst? Hätte er gewusst, dass sie vor zwanzig Jahren, kurz vor seinem Umzug, zum letzten Mal zusammen hier gesessen hatten, wäre er sicher noch oft hierher gekommen. So spielt das Leben. Er hatte nie Zeit gehabt, um seinen alten Freund zu besuchen. Sie kannten sich seit dem Kindergarten, waren zusammen groß geworden. Die erste Fete, der erste Kater, der erste Sprung vom Zehner; sie hatten alles zusammen erlebt. Sie waren wirklich gute Freunde gewesen. Als er sich entschied, die Stadt zu verlassen, wusste er, was er hinter sich lassen würde. Freunde, Familie und ein ganzes Leben. Er war alt genug, um einen Neustart zu wagen. Er hatte noch so ein langes Leben vor sich und wusste, dass er später hier her zurückkehren würde. Er hatte aber nie Zeit gehabt, die guten alten Freunde zu besuchen. Er musste sich um seine Familie kümmern und arbeiten. Er war noch nicht alt und hätte später noch genug Zeit gehabt, die alten Freunde zu sehen. Vor ein paar Tagen erhielt er dann den Anruf. Sein bester Freund, den er immer so sehr geschätzt hatte, sollte gestorben sein? Er konnte es gar nicht glauben. Er wollte es nicht glauben. Er hatte nicht einmal die Möglichkeit, sich bei ihm zu verabschieden und ihm für die vielen schönen Jahre, die sie zusammen verbracht hatten, zu danken. Als er so die Straße entlang lief, fing er an, zu realisieren, wie sehr sich alles verändert hatte. Da hinten am Ende der Straße war ihr Platz gewesen, dort hatten sie so oft gesessen. Sie hatten so viel zusammen erlebt, hatten den Himmel, aber auch die Hölle gesehen. Er lief die Straße weiter entlang und sah ihre Schule. Dort hatten sie zusammen die Lehrer zur Weißglut getrieben. Als er ihr näher kam, sah er eingeschlagene Fensterscheiben, der Schulhof war wie leer gefegt und die Turnhalle stand nicht mehr. Erst jetzt entschied er sich, zu seinem Haus zu gehen. Wie viele Jahre hatte er dort gelebt? Zu viele. Es tat ihm weh, dort hin zu gehen, denn er wusste, dass dort kein Haus stehen würde. Er wusste, dass diese Häuser inzwischen nur noch auf Satellitenbildern existierten. Da war er nun. Einsam und allein in einer Gegend, die vor nicht allzu langer Zeit noch eine lebhafte Siedlung war. Und heute? Eine Geisterstadt. Nur die Schule erinnerte noch an die alte Zeit. In diesem Moment wurde es ihm klar. Er glaubte, er habe Zeit, aber Zeit hat nur die Ewigkeit. Er machte sich keine Vorwürfe dafür, dass er nie zurück gekommen war, viel mehr fragte er sich, was er alles hinter sich gelassen hatte. Damals, als er gerade ins Leben steigen wollte, wusste er, dass er seinen Lebensabend in genau dieser Stadt verbringen würde und das an der Seite der Menschen, mit denen er diese Stadt kennenlernen durfte. Er war sich so sicher, dass er mit seinem besten Freund wieder am Ende der Straße sitzen und reden würde. Über das, was sie gemacht haben und über das, was sie früher wollten. Er wusste, dass er diese hässlichen Platten noch so oft sehen würde und er wusste, dass sich in den vielen Jahren nichts ändern würde. Und nun stand er hier und nichts war mehr so, wie es früher war.

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