„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus
seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“ – So schrieb es der Philosoph
Immanuel Kant vor mehreren Jahrhunderten nieder. Doch was bedeutet das
eigentlich? Leben wir heute in einem aufgeklärten Zeitalter?
Darauf gibt es keine direkte Antwort. Wir
leben in einem Zeitalter der Information; in einem Zeitalter des Fortschritts,
aber ob es wirklich ein aufgeklärtes Zeitalter ist, in dem wir gerade leben,
muss man ordentlich abwiegen.
Wir Menschen haben einen enormen Drang nach
Neuentdeckungen – nach der absoluten Aufklärung. In unserer Welt gibt es
etliche Forschungszentren, wo ständig neue Dinge entdeckt und erfunden werden,
die unseren Lebenskomfort enorm erhöhen.
Des Weiteren wird uns Menschen ein unendlicher
Drang nach Wissen in die Wiege gelegt. Wir haben eine Vielzahl an
Möglichkeiten, um uns dieses Wissen von klein auf anzueignen. Es gibt heute
unglaublich viele Bibliotheken und Enzyklopädien, in denen es das nahezu
„unendliche“ Wissen gibt. Heute haben wir außerdem Wege, wie das Internet, um
uns zu jeder beliebigen Zeit und zu jedem beliebigen Thema Argumente, Meinungen
und Fakten einholen zu können. Außerdem gibt uns das Internet die Möglichkeit,
immer auf dem neuesten Stand zu sein – egal, worum es geht.
Eine weitere Sache, die dafür spricht, dass
wir in einem aufgeklärten Zeitalter leben, ist unsere Bildung, die allerdings
nicht überall auf der Erde ermöglicht wird. In den zivilisierten Ländern haben
wir allerdings die Möglichkeit und teilweise sogar die Pflicht, zur Schule zu
gehen und uns dementsprechend zu bilden. Wir erlangen kostenlos eine
weitreichende Allgemeinbildung und damit ein Stück Aufklärung, nämlich Wissen.
Die Bildung selbst ist ein Faktor der Aufklärung.
Obwohl wir nach Bildung und Aufklärung streben,
beginnt die Einschränkung unseres Geistes schon im Kindesalter. Uns wird von
unseren Eltern, später von den Kindergärtnern und Lehrern, eine Sicht der Moral
– von Richtig und Falsch – übermittelt, die wir akzeptieren, ohne sie zu
hinterfragen. Wenn nun Mama sagt: „Du darfst nicht so laut rufen, dass du diese
Frau da nicht schön findest“, dann akzeptiert das Kind dieses und merkt es
sich, ohne zu hinterfragen, warum das falsch war und warum es das zukünftig
nicht mehr tun sollte. Das Kind wird es einfach in der Zukunft berücksichtigen.
Wie viele Menschen beten jeden Abend den
„lieben Gott“ an, obwohl es keine Beweise für seine Existenz gibt? So viele
Menschen sind auch heute noch religiös, obwohl eine Existenz eines jeden Gottes
nicht nachgewiesen werden kann. Trotzdem glauben diese Menschen daran, dass
deren Gott die Welt erschaffen hat, obwohl eine Evolution wissenschaftlich
nachgewiesen wurde. Wir Menschen glauben an Vieles, ohne zu wissen, ob es wahr
ist. Wir suchen gar nicht erst nach einer Lösung der Probleme oder nach einer
Erkenntnis. Wir glauben das, was wir gehört haben, weil uns die Unwissenheit
gefällt. Wir wollen es nicht hinterfragen, weil das, was wir wissen, schöner
klingt, als die Wahrheit. Wir Menschen neigen zu schnell dazu, Dinge einfach zu
glauben, anstatt darüber nachzudenken.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass wir in
keinem aufgeklärten Zeitalter leben, ist das Vermeiden gewisser Themen, wie
beispielsweise dem Tod. Wir fürchten den Tod unserer Geliebten, genauso, wie
wir unseren eigenen Tod fürchten, obgleich wir wissen, dass der Tod etwas
vollkommen Natürliches und gleichzeitig ein unvermeidbarer und unumgänglicher
Teil unseres Lebens ist.
Als meine Großmutter vor wenigen Tagen ihr
Leben hinter sich ließ, war ich unglaublich traurig, weil ich wusste, dass ich
sie nie wieder sehen würde. Wenige Tage darauf war die Verabschiedung von ihr,
wo sogar ihre Schwester aus dem Saarland kam, um sich von ihr zu verabschieden.
Als ich dann dort in diesem Raum saß und die Leiche meiner Großmutter anstarrte,
während mir eine Träne nach der anderen über das Gesicht lief, verstand ich,
warum wir Menschen den Tod so fürchten. Wir fürchten die Endgültigkeit und
dieses Unbekannte nach dem Tod.
Genauso wie den Tod, meiden wir andere
vollkommen normale Themen, wie beispielsweise den Stuhlgang, obwohl auch dieser
ein sehr wichtiger und natürlicher Teil unseres Lebens sein sollte.
So komme ich zu dem Entschluss, dass wir
heutzutage zwar enorme Möglichkeiten in der Entwicklung, dem Fortschritt und
der Bildung haben – die uns zum Licht Aufklärung verhelfen – aber auch, dass
wir trotz dieser Möglichkeiten stellenweise zu faul sind, um uns an unserem
eigenen Verstand zu bedienen und selbst Dinge zu hinterfragen. So halten wir am
Dunkel der Unwissenheit fest. Das heißt, dass wir noch lange nicht in einer
aufgeklärten Welt leben. In dieser leben wir erst, wenn auch der letzte Mensch
dieser Erde sich freiwillig an seinem eigenen Geist und seinem Denkvermögen
bedient und nicht alles glaubt, was er hört, sieht oder liest.
Wir leben in einer informierten Welt des
Fortschritts und der Aufklärung, aber wir sind nicht vollkommen aufgeklärt.