Freundschaft und Egoismus im Zwiespalt

Die Freundschaft ist ein Thema, welches auch schon vor unserer Zeitrechnung Menschen beschäftigt hat.
„Einen sicheren Freund erkennt man in unsicherer Sache.“
                                      – Marcus Tullius Cicero (107-43 v. Chr.)
Aber nicht nur der römische Politiker Cicero hatte ein kritisches Auge auf die wahre Freundschaft. Der im letzten Jahr verstorbene deutsche Schriftsteller Siegfried Lenz thematisiert den Zwiespalt zwischen Freundschaft und Selbstsucht beispielsweise in seinem Roman Deutschstunde aus dem Jahr 1968. Das folgende Zitat einer britisch-amerikanischen Schauspielerin bringt die Problematik der Freundschaft, wie sie in Lenz‘ Roman auftaucht, eindeutig zur Schau:
            „Echte Freunde zeigen sich, wenn du in einen Skandal verwickelt bist.“
                                                                       – Elizabeth Taylor (1932-2011)
Die Freundschaft ist – besonders in unserer heutigen Gesellschaft – etwas, was uns eher Probleme bringt, anstatt uns Freunde zu machen. Wenn ich an meinen bisherigen Werdegang zurückdenke, fallen mir spontan einige bittere Enttäuschungen ein, die im nahen Zusammenhang mit erloschenen Freundschaften stehen.
Abgesehen von den vielen Reinfällen, die die Freundschaft im Leben mit sich mitbringen kann und wird, hat sie auch eine wunderbare Seite. Manchmal ist die Freundschaft ungefähr so schön, wie eine dreckige Pfütze auf dem Boden an einem verregneten Tag, aber manchmal strahlt sie auch wie eine wunderschöne Rose im Frühling.
Ob nun die schöne oder die traurige Seite der Freundschaft im Leben mehr lastet, werde ich nun einmal etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Das große Problem an der Freundschaft ist, dass viele Menschen sehr selbstsüchtig sind und irgendwann im Verlauf der Freundschaft ihr eigenes Wohlergehen vor das des Freundes setzen. Meist ist eine solche Handlung das symbolische Todesurteil der oftmals auch langjährigen Freundschaft.
So heißt es immer, dass man sich niemals blind auf eine andere Person verlassen sollte, weil man es früher oder später bereuen wird. Eine wahre Freundschaft erkennt man daran, dass sie harte Zeiten übersteht. Leider gibt es auf dieser Welt sehr viele Verräter, die sich in genauso einer harten Zeit nicht auf die Seite ihres Freundes stellen, weil Werte wie Ehre und Loyalität am Aussterben sind. Mein bester Freund musste eine solche Erfahrung vor gar nicht allzu langer Zeit machen. Wir haben beide einen sehr großen Bekanntenkreis, aus dem sich sehr viele unsere Freunde nennen wollen. Als mein bester Freund sich dann in ein Mädchen aus unserem Bekanntenkreis verliebte und von ihr aber nur bitter ausgenutzt wurde, hatte plötzlich keiner mehr Verständnis für ihn. Alle standen hinter seiner Geliebten und er stand fast allein da. Ich war auf seiner Seite, weil ich sein Leid miterlebt hatte, aber alle anderen glaubten ihm nicht und mochten ihn nicht mehr wirklich. Er weiß seit dem, dass man vorsichtig sein sollte, wenn man einer Person sein Vertrauen schenken will. Für mich war dies der beste Beweis dafür, dass Werte wie Ehrlichkeit, Ehre und vor allem Loyalität in unserer heutigen Gesellschaft ihre große Rolle verloren haben.
Zusätzlich leben wir in einer oberflächlichen Welt des Konsumwahns. Wir nehmen durch unsere Umwelt unglaublich viele Reize auf, die uns zeigen, wie wir sein sollen. Ein Mensch in meinem Alter, der nicht wohlhabend ist, hat oftmals weitaus weniger Chancen auf neue Bekanntschaften, weil ein guter Charakter in der heutigen Zeit der sozialen Medien weniger Wert hat, als ein hübsches Gesicht, voluminöse Haare, Markenklamotten und ein teures Handy. Ich bin ein Mensch, der es gewohnt ist, eher primitiv zu leben, weshalb ich beispielsweise kaum Markenkleidung habe und zudem noch meist ungeschminkt aus dem Haus gehe. In den falschen Kreisen ist es mir schon oft passiert, dass ich aufgrund meines sehr primitiven Aussehens nicht akzeptiert wurde. Es ist logisch, dass solche Menschen keine echten Freunde sind und dass sie ihr eigenes Wohlergehen vor das Wohlergehen ihrer Freunde stellen würden, weil deren Interessen nur bei vielen Bekanntschaften liegen. Sie wollen viele „Gefällt mir“-Angaben bei Facebook, Instagram und Co. haben; soziale Netzwerke bringen dieses Phänomen unumgänglich mit sich.
Ein weiterer Punkt ist, dass viele Menschen wirklich viel zu selbstsüchtig sind und dadurch die Werte einer Freundschaft gar nicht erkennen können. Sie wollen, dass man ihnen immer zuhört und dass nur sie selbst im Mittelpunkt stehen. Sie denken einfach immer an sich und das bei jeder Gelegenheit. Es gibt auch Menschen, deren Egoismus nicht sofort deutlich wird, sondern erst, wenn sie sich entscheiden müssen, ob das eigene Wohlergehen oder das des Freundes wichtiger ist. Es gibt wenige Menschen, die sich für das Wohlergehen des Freundes entscheiden.
Obwohl ich selbst erst der Meinung bin, dass die Anzahl der falschen Freunde und der Verräter in unserer Gesellschaft weitaus mehr wiegt, als die Anzahl der guten Freunde, denke ich, dass die positiven Seiten der Freundschaft im Leben trotzdem überwiegen.
Viele Menschen werden nie Freunde finden, die ihnen gegenüber selbstlos handeln würden, weil sie selbst nicht in der Lage wären, dies für einen Freund zu tun. Wer lernt, im Leben nicht nur nehmen, sondern auch geben zu können und sich nebenbei noch von Vorurteilen befreien kann, wird andere Menschen treffen, die genauso leben und mit diesen vielleicht die eine oder andere wundervolle Freundschaft schließen. Was ich damit sagen will, ist, dass wer selbst kein guter Freund sein will und nur Ansprüche stellt, keine guten Freunde finden wird.
Viele Menschen sind auch aus einem anderen Grund daran schuld, dass sie keine guten Freunde in ihrem Leben haben. So viele Menschen können geben und tun dies auch liebend gern, aber sie vergessen dabei, ihren kritischen Blick gegenüber anderen zu behalten. Viele Menschen lassen sich leider sehr leicht und schnell ausnutzen, weil sie glauben, so mehr gemocht oder akzeptiert zu werden. Diesen Fehler habe ich selbst einmal gemacht. Ich wollte für alle da sein, um vielleicht irgendwann auch jemanden zu haben, der mir seine Hilfe anbietet. Ich wurde ausgenutzt und danach noch ausgelacht. Seit dem trete ich anderen Menschen sehr kritisch gegenüber und schenke nur den Menschen mein Vertrauen, die es verdient haben. Ein Mensch, der das perfekte Verhältnis zwischen Misstrauen und Vertrauen gegenüber beherrscht, wird ein guter Freund sein und auch gute Freunde finden.
Der schwerwiegendste Grund, weshalb ich die positiven Seiten der Freundschaft mehr wahrnehme, als die negativen, ist der, dass ich ein paar wenige, aber dafür unglaublich tolle Freunde in meinem Leben habe. Es sind Menschen, die schon lange ein Teil meines Lebens sind und die ich für nichts eintauschen würde. Ich weiß, dass ich mich auf jeden dieser Freunde blind verlassen könnte, weil sie es bei mir auch können. Wir haben eine gegenseitige Basis des Vertrauens aufgebaut, die nicht so einfach einstürzen wird. Ich bin mit jeder einzelnen dieser Personen durch schwere Zeiten gegangen und sie sind immer noch an meiner Seite. Das ist es, was Freunde ausmacht: Sie lieben einen Menschen so, wie er ist und man sucht sie nicht; man findet sie.
Es kann Jahre dauern, bis man Freunde gefunden hat, die zum eigenen Charakter passen, denn nicht jeder Charakter passt zu jedem. Auf jeden Fall ist aber sicher, dass ein wahrer Freund, wenn man ihn denn einmal gefunden hat, möglicherweise ein ganzes Leben lang an der eigenen Seite bleibt.
Auch wenn es so scheint, als ob der Egoismus in Freundschaften meist überwiegt, denke ich, dass ein echter Freund zumindest immer versuchen wird, nicht sich selbst zuerst in den Vordergrund zu stellen und obwohl viele Werte mittlerweile an Bedeutung verlieren, gibt es immer noch Menschen, die loyal gegenüber ihren Freunden sind und sich für sie einsetzen. Man muss sie nur finden.

Was ich selbst allerdings als ein großes Problem sehe, welches im engen Zusammenhang mit dem Egoismus steht, ist die Oberflächlichkeit, die in den letzten Jahren immer mehr zunimmt. Freunde erkennt man nicht am Aussehen, denn es sind die inneren Werte, die wichtig sind und nicht die äußeren. Wenn sich dies nicht ändert, verliert die Freundschaft irgendwann wirklich an Wert, weil alle Menschen nur noch auf Materielles fixiert sein werden.
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